Das Fernreiseziel - 2017 Weser-Kurier
Wir sollten mal wegfahren.“
„Gute Idee, die Frage ist nur, wohin? Die letzten Reisen waren ja nicht gerade berauschend.“
„Seht mal hier, das sieht doch klasse aus.“
Fredo zeigte mit seinem langen, dünnen Zeigefinger auf den Bildschirm, wo verschiedene Aufnahmen zu sehen waren.
Bestätigendes tiefes Brummen seiner Freunde.
„Am besten, wir gehen zum Fernreiseberater“, schlug Fredo vor.
Gesagt, getan, und Fredo, Kudo, Liro und Sato saßen bei der Fernreiseberaterin Pari, die ihnen in den höchsten Tönen von ihrem geplanten Ziel vorschwärmte und ihnen eine komplette Rundreise empfahl. Wenig später war die Reise gebucht, und schon drei Tage später sollte es losgehen.
Sie landeten in einer üppigen Landschaft. Riesige Bäume, schillernde Vögel und Schmetterlinge in allen Größen und Farben, die durch die warme feuchte Luft taumelten, trunken vom Nektar der Blüten. Begeistert sahen sich die vier Freunde um, lauschten den ungewöhnlichen Rufen der Tiere, die dieser Dschungel beherbergte. Sie durchquerten das scheinbar unendliche Grün und landeten an einem endlos erscheinenden Strand. Weißer, feiner Sand, der von den anrollenden, mit weißem Schaum gekrönten Wellen des türkisfarbenen Ozeans benetzt wurde. Großartig! Wale stießen Wasserfontänen aus, durchbrachen die Wasseroberfläche und wetteiferten mit den Delfinen um die übermütigsten Sprünge. Unter Wasser empfing sie eine zauberhafte bunte Vielfalt, die Fredo und seine Kumpels in Entzücken versetzte.
Die Reise führte sie weiter auf schneebedeckte Gipfel, die bis in schwindelnde Höhen ragten und den Freunden atemberaubende Ausblicke bescherten. Eisblaue Gletscher, die ihre langen Zungen talwärts streckten, schroffe, steile Felsengebirge, schattige Täler und wilde Schluchten, durch die klare Bäche und Flüsse rauschten. Grandios!
Insgesamt waren sie bisher nur wenigen Einheimischen begegnet, die sie aber freundlich empfangen hatten. Die Vier fühlten sich beinahe wie zu Hause. Ein einfaches, aber zufriedenes Leben schienen diese Menschen zu führen, lebten im Einklang mit der Natur. Doch je weiter Fredo, Kudo, Liro und Sato in andere Gebiete vordrangen, die dichter besiedelt waren, desto mehr machte sich Ernüchterung breit. Riesige Flächen abgeholzter Bäume schufen Platz für Monokulturen aus Ölpalmen, die den Tieren den Lebensraum nahmen. Regionen, in die sich enorme Baggerschaufeln fraßen, vorstießen in Tiefen, um der Erde Stoffe zu entreißen und eine Kraterlandschaft hinterließen, die ihresgleichen suchte. Die Menschen dort wirkten grau und unglücklich, ausgemergelt und getrieben. An ihrem nächsten Ziel wurde es noch schlimmer. Toxischer Qualm waberte über dreckigen Pfützen, auf deren Oberfläche giftige Schwermetalle in allen Farben des Regenbogens schillerten. Kinder, die hustend den Müll durchsuchten.
Sie wechselten den Standort, gelangten in Regionen mit enormen Ställen, in denen Tausende von Tieren gehalten wurden. Dicht an dicht harrten diese aus, standen im eigenen Dreck, hatten kaum Platz, sich zu bewegen, sahen die Sonne nie. Vollgestopft mit Futter, das sie, hätten sie denn die Wahl, nie fressen würden.
Nächste Station. Bomben zerrissen die Luft, brachten Gebäude zum Einsturz, die die Menschen unter sich begruben. Menschen schlachteten Menschen, ein einziges Blutbad.
Fredo hatte genug von ihrer Reise.
„Lasst uns jetzt schon nach Hause fahren. Ich kann das nicht mehr ertragen. Wie kann man nur so etwas Schönes zerstören!“
Liro, Sato und Kudo wollten aber auf die letzte Etappe der Reiseroute nicht verzichten, eine Reise über die Ozeane. Doch auch hier wurden sie bitter enttäuscht. Gewaltige schwimmende Plastikmüllberge schwappten auf den Wellen, gespickt mit toten Meerestieren, die sich darin verfangen hatten und elendig darin verendet waren.
„Okay, jetzt reicht es, ab nach Hause“, verlangte Fredo. „Gut, dass wir den Sonnenexpress mit WARP-Antrieb gebucht haben.“
Während der Rückreise mit Überlichtgeschwindigkeit blieben die Gefährten stumm, dachten darüber nach, ob die Erdlinge einen Weg finden würden, um die Zerstörung aufzuhalten.
Zurück in ihrer Heimat führte sie ihr Weg zu Pari, der Fernreiseberaterin, um ihr zu raten, sie solle die Rundreise zum blauen Planeten Erde aus dem Programm nehmen.
„Nächstes Mal reisen wir woanders hin“, meinte Fredo. „Ich hab auch schon ein paar Ideen. Keppler-452b, Enceladus oder Ganymed. Dort ist die Welt noch in Ordnung.“